Heinz Müller, langjähriger Torwart beim Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 (seit 2009, 70 Einsätze), hat vor dem Arbeitsgericht Mainz mit einer Klage gegen seinen Ex-Klub erstinstanzlich obsiegt. In dem schon jetzt aufsehenerregenden Urteil hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 19.03.2015 (Az. 3 Ca 1197/14) entschieden, dass die Eigenart der Arbeitsleistung eines Profifußballspielers allein nicht schon die Befristung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.
Zum Hintergrund:
Der zwischenzeitlich 36-jährige Heinz Müller war beim FSV Mainz 05 ab Sommer 2009 zunächst aufgrund eines auf drei Jahre befristeten Vertrages als Lizenzfußballspieler angestellt. Im Anschluss daran erhielt Müller 2012 einen erneuten Vertrag, befristet diesmal auf weitere zwei Jahre. Gegen diese Befristung klagte er mit dem Ziel der Feststellung des Fortbestandes als unbefristetes Arbeitsverhältnis. Der FSV Mainz 05 wandte dagegen neben der „Branchenüblichkeit“ von Befristungen im Profifußball ein, dass man dem damals 34-jährigen Müller keinen unbefristeten Vertrag hätte anbieten können, da aufgrund seines Alters eine „Ungewissheit der Leistungserwartung“ bestanden habe.
Der Klage wurde nunmehr stattgegeben, mit der Konsequenz, dass der Vertrag zwischen dem FSV Mainz 05 und Heinz Müller über die ursprünglich vereinbarte Befristung hinaus fortbesteht, er dort also weiterhin angestellt ist.
Die Entscheidung des Gerichtes:
Begründet hat das Arbeitsgericht Mainz seine Entscheidung mit der Regelung des § 14 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG). Diesem zufolge gibt es nur zwei Möglichkeiten für eine Befristung von Arbeitsverträgen: 1. eine Gesamtdauer der (grundlosen) Befristung bis zu einer Dauer von zwei Jahren oder 2. eine längere Befristung, dann aber mit Sachgrund. Da die Höchstbefristungsdauer der ersten Alternative vorliegend aufgrund des vorherigen Dreijahresvertrages mit Müller bereits überschritten war, hätte es für die darüber hinausgehende Befristung eines Sachgrundes bedurft. Diesen konnte das Arbeitsgericht Mainz jedoch nicht erkennen. Allein die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballspieler rechtfertige als solche nicht schon eine Befristung des Vertrages. Die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsentwicklung rechtfertige – auch im Profisport – die Befristung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls nicht. Wenn ein Spieler allerdings auf eigenen Wunsch die Flexibilität eines solchen befristeten Vertrages haben wolle – so Gerichtssprecherin Lippa – könnten sich Verein und Spieler durchaus auf einen Drei- oder Vierjahresvertrag einigen. Prüfungsmaßstab des Gerichtes sei dafür nichts desto trotz die Kontrollüberlegung, ob der Arbeitnehmer, hier der Fußballprofi, einen unbefristeten Vertrag ausgeschlagen hätte, wenn ihm dieser angeboten worden wäre.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, der FSV Mainz 05 hat hiergegen erwartungsgemäß auch bereits Rechtsmittel angekündigt.
Was bedeutet dieses Urteil für den Profifußball?
Die Auswirkungen dieses Urteils dürften – so es im Instanzenzug tatsächlich bestätigt werden sollte – in der Tat immens sein. Die in diesem Zusammenhang jetzt vielfach gezogenen Parallelen zur Bedeutung des Falls Bosman sind da durchaus berechtigt.
Die absolut gängige Praxis im Profifußball – aber nicht nur da, man denke an andere populäre Sportarten wie Handball, Eishockey oder Basketball – mit dem Abschluss befristeter Verträge, dürfte dann der Vergangenheit angehören. Unbefristete Verträge mit dann u.a. den gesetzlichen Einschränkungen im Bereich der Kündigungsmöglichkeiten bzw. mit den dann für die Spieler jederzeit bestehenden Kündigungsmöglichkeiten, machten den Vereinen eine verlässliche, nachhaltige und wirtschaftliche Personalplanung nahezu unmöglich. Die Konsequenz dürften entweder sinnlos aufgeblähte Kader sein – denn natürlich wird man auch weiterhin leistungsschwache oder ältere Spieler ersetzen wollen und müssen, um sportlich erfolgreich zu sein – oder eine nur sehr geringe Spielerfluktuation – eben um teure Kader von 30 oder 40 Spieler zu vermeiden – sein. Sollten die Vereine hingegen von der dann allein noch möglichen Befristung ohne Sachgrund für einen Zeitraum bis zu 2 Jahren vermehrt Gebrauch machen, würde dies einen ständigen Spielerwechsel ohne jegliche Konstanz im Spielerkader bedeuten, stellte also für die Vereine wohl ebenfalls kaum eine wirkliche Alternative dar.
Das bestehende Transfersystem würde gleichfalls grundlegend „auf den Kopf“ gestellt, die Spieler könnten einfach fristgemäß ihre Verträge beenden, die bestehenden Transferperioden würden weitgehend überflüssig, falls nicht dann ohnehin rechtlich unzulässig. Statt der jetzt regelmäßig gezahlten Ablösesummen würden die konkurrierenden Vereine den Spielern immense Handgelder für deren Eigenkündigung beim aktuellen Verein und die Vertragsunterzeichnung beim eigenen Klub zahlen (müssen) und/oder wesentlich höhere Gehälter anbieten.
Das Ganze hört sich nun aber im ersten Moment dramatischer an als es tatsächlich ist. Es besteht nach diesseitiger Auffassung die berechtigte Annahme, dass dieses Urteil letztendlich gekippt wird. Denn in rechtlicher Hinsicht geht bereits die Annahme des Arbeitsgericht Mainz, dass die Eigenart der Arbeitsleistung – der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG – in diesen Fällen eine Befristung nicht rechtfertige, fehl und muss als vollkommen realitätsfern bezeichnet werden.
Das Argument, dass die im Sport Beschäftigten sich den Anforderungen des (wechselnden) Publikumsgeschmacks – wie auch Schauspieler, Sänger, Tänzer o.ä., für die dieser Befristungsgrund u.a. eingeführt wurde – unterwerfen müssten (so etwa Stückemann/Flesch, FA 2002, S. 102; Lipke, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsrecht, § 14 TzBfG, Rn. 156) greift nach diesseitiger Auffassung zwar in der Tat nicht unbedingt. Denn den Besuchern von Sportveranstaltungen, insbesondere im professionellen Fußball, dürfte es anders als etwa einem Theaterpublikum, weniger um Abwechslung in der Darbietung an sich gehen als vielmehr um den sportlichen Erfolg „ihres“ Teams. Auch das wirtschaftliche Interesse eines Vereins wird sicherlich durch Wettkampferfolge in Form höherer Zuschauerzahlen und TV-Gelder, gesteigerte Merchandising-Einnahmen, Erfolgs- und Punktprämien der Verbände etc. eher befriedigt als durch regelmäßig wechselnde Spieler. Allerdings erfordert die Eigenart des Profisports, hier des Berufsfußballs, ohne jegliche Zweifel eine regelmäßig veränderte Mannschaftszusammensetzung zur Vermeidung sportlichen Misserfolges bzw. zur Wahrung des Erfolges. Auch dürfte die Fähigkeit der Motivation der Sportler durch ihren Trainer einer nicht unerheblichen Abnutzung unterliegen, und damit ein Verschleißtatbestand = eine Eigenart i.S.d. 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG bestehen.
Zudem muss entgegen der Auffassung des Arbeitsgericht Mainz auch ein Befristungsgrund in der Person des Arbeitnehmers, des Profifußballers, gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG, nämlich in Form der veränderten Leistungsfähigkeit sehr wohl bejaht werden. Denn sowohl aus sportlicher als auch aus medizinischer Sicht sollte die Erkenntnis als gesichert gelten, dass die Möglichkeit, im Profifußball erfolgreich zu bestehen, untrennbar verbunden ist mit der körperlichen Leistungsfähigkeit, sprich vor allem mit dem Alter. Es kann nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass Fußballer – mit ganz wenigen Ausnahmefällen, es soll hier durchaus an „Fußballdinosaurier“ wie Klaus Fichtel (letzter Einsatz mit 43), Ulli Stein (42) oder Mirko Votava (40) erinnert werden – auch im Alter von Ende Dreißig/Anfang 40 noch in der Lage sind, auf gleichem Niveau wie ihre Kollegen und Kontrahenten Fußball zu spielen. Diese Besonderheit ist nach diesseitiger Auffassung mit Hinblick auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG sehr wohl zu berücksichtigen.
Nach alledem dürfte die Berufung des FSV Mainz 05 gute Aussichten auf Erfolg haben und das aktuell in den Medien – zu Recht – vieldiskutierte Urteil des Arbeitsgericht Mainz letztendlich aufgehoben werden. Das dachte man seinerzeit im Fall Bosman allerdings auch…
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