Müssen Eltern eigentlich auch dann noch Unterhalt an ihr Kind zahlen, wenn dies mit 26 Jahren erstmalig ein Studium aufnimmt?
Eine viel gehegte Sorge von Eltern, die zwar selbstverständlich eine gute Ausbildung für ihre Kinder wünschen, aber aus nachvollziehbaren Gründen doch hoffen, dass das Ganze finanziell im Rahmen bleibt. Aber wie lange sind Eltern in Zeiten von „gap-years“ eigentlich verpflichtet, ihren Kindern Unterhalt während einer Ausbildung bzw. eines Studiums zu zahlen und wie lange müssen Eltern damit rechnen, dass sich ihr Kind nicht doch noch für ein Studium entscheidet? Herrscht dabei völlige Entscheidungsfreiheit der Kinder oder haben Kinder doch auch durchaus Rücksicht auf ihre Eltern zu nehmen?
Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Etwas konkreter: die Eltern haben eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am Ehesten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern bewegt, zu finanzieren. Eltern, die eine solche Ausbildung einmal gewährt haben, sind daher grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, darüber hinaus noch eine weitere Ausbildung zu zahlen. Ausnahmen gibt es natürlich immer, wenn das Wort „grundsätzlich“ auftaucht. Solche Ausnahmen liegen beispielsweise vor, wenn das Kind den erlernten Beruf z.B. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann oder in den Fällen, in welchen zuerst eine Ausbildung absolviert wurde, um danach ein Studium zu beginnen. Der letztgenannte Fall setzt allerdings voraus, dass ein enger sachlicher und fachlicher Zusammenhang zwischen der Ausbildung und dem Studium besteht und die Ausbildungsschritte von vornherein beabsichtigt waren oder sich eine besondere Begabung während der Ausbildung herausgestellt hat.
Auch hier gilt der Grundsatz, der allgemeingültig im Unterhaltsrecht ist, nämlich das sog. Gegenseitigkeitsprinzip, sprich, die Eltern müssen zahlen und die Kinder müssen „nett“ und strebsam sein und zügig ihre Ausbildung absolvieren.
Wenn man nun den Blick auf die Eltern wirft, muss die Zahlung von Unterhalt dabei für das in der Ausbildung befindliche Kind auch zumutbar sein, d.h. es ist zu fragen, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern sind und inwieweit diese überhaupt damit rechnen müssen, Unterhalt an ihre Kinder zu zahlen.
Einem kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall (Beschluss vom 03.05.2017, Az. XII ZB 415/16) lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Eine 26-jährige Frau hatte nach dem Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3 zunächst eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin beendet und im Anschluss 2 ½ Jahre in ihrem erlernten Beruf gearbeitet. Da ein Medizinstudium beabsichtigt war, hat sie sich fortwährend seit dem Abitur für ein Medizinstudium beworben, aber erst nach 6 Jahren tatsächlich einen Studienplatz erhalten. Nach dem Abitur hatte der Vater, zu welchem während der gesamten Zeit kein Kontakt bestand, gratuliert und mitgeteilt, dass er nunmehr davon ausgehe, keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Falls das doch der Fall sein sollte, möge sie sich bei ihm melden. Der Vater zahlte ab da keinen Unterhalt mehr und hörte erst einmal auch nichts mehr von seiner Tochter. Das änderte sich jedoch, als die Tochter das Medizinstudium aufnahm und Unterhalt begehrte bzw. benötigte.
Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass der Vater nicht mehr unterhaltsverpflichtet sei. Aufgrund des großen zeitlichen Abstandes zwischen der Beendigung der Ausbildung und der Aufnahme des Studiums konnte und musste der Vater insbesondere im Hinblick auf das Alter seiner Tochter nicht mehr damit rechnen, erneuten Unterhaltsforderungen ausgesetzt zu sein. Dementsprechend hatte sich der Vater auf diese Situation durch den Erwerb einer fremdfinanzierten Immobilie und weiteren Konsumkrediten eingestellt.
Für Fragen zu diesem Thema sowie zu allen weiteren Fragen des Familienrecht steht Ihnen Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht Rechtsanwältin Ulrike Hafer jederzeit gern zur Verfügung.