In einem Urteil vom 19.05.2020 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern (Az. 5 Sa 217/19) entschieden, dass zwischen der Täuschung des Arbeitgebers durch falsche Angaben des Kandidaten im Bewerbungsverfahren und der vom Arbeitgeber daraufhin abgegebenen Willenserklärung – Angebot eines Arbeitsvertrages – ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss.
Die erforderliche Kausalität sei immer dann gegeben, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung entweder gar nicht oder nicht mit diesem Inhalt oder nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte. Die Darlegungs- und Beweislast dafür trüge der Anfechtende, also der Arbeitgeber. Allerdings könne ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass die Täuschung den Entschluss des Erklärenden beeinflusst hat, wenn die falsch angegebenen Tatsachen nach der allgemeinen Lebenserfahrung üblicherweise für eine solche Erklärung von Bedeutung sind.
In dem der Entscheidung zugrundliegenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber wegen falscher Angaben des Arbeitnehmers in den Bewerbungsunterlagen zur Lehrbefähigung. Im Einzelnen:
Der Kläger erhielt im August 1986 in der ehemaligen DDR die Befähigung zur Arbeit als Horterzieher sowie die Lehrbefähigung für die Fächer Sport und Werkunterricht der unteren Klassen der allgemeinbildenden Schulen. Über die Online-Stellenbörse des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur bewarb sich der Kläger im Oktober 2017 als Grundschullehrer an verschiedenen Grundschulen. In dem Bewerbungsbogen gab er an, dass er beide Staatsprüfungen in der Lehramtsprüfung abgelegt hat. Als Nachweis legte er den Bewerbungsunterlagen auch entsprechende Zeugniskopien über die beiden Staatsprüfungen bei. Wie sich allerdings später herausstellte, hatte der Kläger beide Zeugnisse gefälscht. Das beklagte Land stellte den Kläger zum 01.12.2017 unbefristet als vollbeschäftigte Lehrkraft ein. Im Rahmen eines Personalgespräches im Februar 2019 wurde der Kläger u.a. gefragt, an welcher Schule er seinen Vorbereitungsdienst abgeleistet habe, woraufhin dieser einräumte, gar keinen Vorbereitungsdienst absolviert zu haben. Auch gestand er die Fälschung der Examenszeugnisse ein. Das beklagte Land erklärte daraufhin die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Der Kläger erhob daraufhin Klage auf Feststellung, dass die Anfechtung das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe, die Zeugnisse seien lediglich versehentlich in die Bewerbungsunterlagen gelangt.
Das Arbeitsgericht wies die Klage im Ergebnis ab, auch die Berufung des Klägers zum LAG hatte keinen Erfolg, dies nach diesseitiger Auffassung aus den nachfolgenden, zutreffenden Gründen:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund der Anfechtungserklärung des beklagten Landes vom 05.02.2019 mit dem Zugang der Anfechtungserklärung beim Kläger am gleichen Tage. Zwar ist ein anfechtbares Rechtsgeschäft, das angefochten wird, grundsätzlich als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB). Bei einem – wie hier – bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis wirkt die Anfechtung allerdings nicht zurück (ex-tunc-Wirkung), sondern nur für die Zukunft (ex-nunc-Wirkung).
Denn wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann diese Erklärung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB). Eine arglistige Täuschung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Zwischen der Täuschung und der abgegebenen Willenserklärung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die Kausalität ist gegeben, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung entweder gar nicht oder nicht mit diesem Inhalt oder nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte. Die Darlegungs- und Beweislast trägt dabei der Anfechtende. Allerdings kann ein Beweis des ersten Anscheins dafürsprechen, dass die Täuschung den Entschluss des Erklärenden beeinflusst hat, wenn die falsch angegebenen Tatsachen nach der allgemeinen Lebenserfahrung üblicherweise für eine solche Erklärung von Bedeutung sind (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.2019, Az. 2 Sa 164/19).
Der Kläger hat im vorliegenden Fall bei dem beklagten Land durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtum über die erworbene Lehrbefähigung hervorgerufen. Der Kläger hat dabei auch arglistig gehandelt, denn er wusste, dass seine Angaben im Bewerbungsbogen falsch und die Zeugnisse über seine Staatsprüfungen für das Lehramt an Haupt- und Realschulen gefälscht waren. Zwischen der Täuschung und dem Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger bestand auch ein ursächlicher Zusammenhang. Die Ausbildung, insbesondere die Art der Lehrbefähigung, ist bei der Einstellung eines Lehrers üblicherweise ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses. Davon hängt ab, in welchen Schulformen die Lehrkraft eingesetzt und mit welchen Aufgaben oder Zusatzfunktionen sie betraut werden kann. Ausschlaggebend ist die Lehrbefähigung darüber hinaus für die Vergütungshöhe. Es mag zwar sein, dass angesichts des aktuellen Lehrkräftemangels eine Einstellung nicht immer vom Nachweis einer Lehrbefähigung abhängig ist. Möglicherweise wäre der Kläger auch bei wahrheitsgemäßen Angaben in seiner Bewerbung eingestellt worden. Er wäre aber jedenfalls nicht zu denselben Bedingungen, insbesondere nicht mit der Entgeltgruppe 11 TV-L, eingestellt worden.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde damit aufgrund der Anfechtung vom 05.02.2019 rechtswirksam beendet.
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