Mit seinen Urteilen jeweils vom 20.11.2014 (Az. BVerwG 3 C 25.13, 3 C 26.13 und 3 C 27.13) hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass die sog. Liquids – die nikotinhaltige Flüssigkeit, die mittels elektronischer Zigaretten verdampft und inhaliert werden – keine Arzneimittel und insofern die E-Zigaretten selbst auch keine Medizinprodukte sind.
Konkret ging es in den Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht um die Untersagung des Vertriebes nikotinhaltiger Liquids in einem Wuppertaler Ladengeschäft durch die Stadt sowie weiterhin um die Klage einer Herstellerin von E-Zigaretten und liquidhaltiger Filterkartuschen gegen eine Veröffentlichung des Gesundheitsministeriums von Nordrhein-Westfalen, in der vor dem Handel und Verkauf gewarnt wurde, da dies einer arzneimittelrechtlichen Zulassung und der Einhaltung der Kennzeichnungspflichten nach dem Medizinproduktegesetz bedürfe.
Im ersten Fall kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die nikotinhaltigen Liquids nicht die Voraussetzungen eines sog. Präsentationsarzneimittels erfüllten, da diese nicht als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten vermarktet („präsentiert“) würden. Zudem würde auch die Produktaufmachung beim Verbraucher nicht den Eindruck eines Arzneimittels erwecken. Weiterhin handele es sich bei den Liquids auch nicht um sog. Funktionsarzneimittel. Auch wenn Nikotin ein Stoff sei, der die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung nennenswert beeinflusse, müsse die Entscheidung, ob ein Erzeugnis damit auch unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung aller Merkmale des Erzeugnisses getroffen werden. Hier sei das Berufungsgericht, das OVG Münster, rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass den Liquids hier keine Arzneimitteleigenschaft zukomme. Den Liquids fehle es an einer therapeutischen Eignung, weil sich ein Nutzen der E-Zigarette als Hilfsmittel für eine dauerhafte Rauch- und Nikotinentwöhnung wissenschaftlich nicht belegen ließe. Dementsprechend würden die Verbraucher nikotinhaltigen Liquids überwiegend keine arzneiliche Zweckbestimmung beimessen, sondern sie allein als Genussmittel verwenden.
In dem anderen Fall konnte die Klägerin im Ergebnis die Unterlassung der amtlichen Äußerungen beanspruchen, da – so das Bundesverwaltungsgericht – das staatliche Informationshandeln sie in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung verletzt habe. Nach den zutreffenden Feststellung der Vorinstanz (auch hier das OVG Münster) beeinträchtigen die öffentlichen Äußerungen des Gesundheitsministeriums die Wettbewerbsposition der Klägerin faktisch ähnlich wie eine Verkaufsbeschränkung. Aufgrund dieser verbotsähnlichen Wirkung stelle das beanstandete Informationshandeln ein funktionales Äquivalent zu einer „klassischen“ Verwaltungsmaßnahme mittels hoheitlicher Regelung dar und unterläge deshalb den dafür geltenden Rechtmäßigkeitsanforderungen. Mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage hierfür seien die Äußerungen des Ministeriums damit rechtswidrig. Die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und des Medizinproduktegesetzes erlaubten den Überwachungsbehörden zwar grundsätzlich auch ein Handeln in Form öffentlicher Warnungen, jedoch seien vorliegend die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen, da die Liquids und E-Zigaretten eben nicht den arzneimittel- und medizinprodukterechtlichen Vorschriften unterfielen (siehe oben).
Das Bundesverwaltungsgericht hat nach unserer Auffassung hier eine Entscheidung gefällt, die – jenseits des Rechtlichen – auch dem „Bauchgefühl“ der Verbraucher entsprechen dürfte. Die in einem Teil der Rechtsprechung lange Zeit vertretene Auffassung, dass es sich bei den Liquids sehr wohl um Arzneimittel, bei den E-Zigaretten um Medizinprodukte handele, war und ist nicht in Einklang zu bringen mit der tatsächlichen Wahrnehmung der Konsumenten. Die Einordnung als bloßes Genussmittel ist daher so zutreffend wie konsequent.
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